Inhalt:
Obwohl sich die Klimafolgenforschung bisher hauptsächlich auf die Auswirkungen von langsamen Veränderungen des Klimas konzentriert hat, ist es offensichtlich, dass extreme, seltene Klimaereignisse (z.B. Dürren und Überflutungen) sehr gravierende Folgen für die Gesellschaft haben können. Eine neue Methode für die Erforschung der Folgen extremer Klimaereignisse ist das "Sicherheitsdiagramm", dessen Ziel es ist, klimabedingten Umweltstress mit der Anfälligkeit von Staaten und dem Auftreten von Krisen in Verbindung zu bringen (Alcamo, 2000; Alcamo/Endejan, 1999).
Abb. 1: Beispiel eines Sicherheitsdiagramms.
Abbildung 1 zeigt ein Beispiel eines Sicherheitsdiagramms. Jeder Datenpunkt in diesem Diagramm stellt Umweltstress und die entsprechende Anfälligkeit einer spezifischen geographischen Region in einer bestimmten Zeitperiode, normalerweise 1 Jahr, dar. Einige dieser Datenpunkte sind rot dargestellt, was für das Auftreten einer umweltbezogenen Krise steht, während der berechnete Umweltstress und die berechnete Anfälligkeit das durch den Punkt repräsentierte Niveau erreichen. Theoretisch kann ein Sicherheitsdiagramm jeden Stress- und Krisentyp darstellen. Zum Beispiel demonstrieren Alcamo und Endejan (1999) ein Sicherheitsdiagramm, das sowohl Nahrungsmittel- als auch Wasserkrisen darstellt. In diesem Projekt werden wir uns jedoch auf Dürre als extremes Klimaereignis konzentrieren, das Umweltstress und Wasserknappheiten als daraus resultierende Krise verursacht.
Die Annahme, die hinter den Sicherheitsdiagrammen steht ist, dass, je höher der Umweltstress, desto höher die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Krise ist. Gleichzeitig wird angenommen, dass umso weniger Stress für die Verursachung einer Krise notwendig ist, je größer die Anfälligkeit des Staates ist (und je niedriger die Bewältigungskapazitäten sind). Folglich erwarten wir, dass das Auftreten von Krisen sich in der rechten oberen Ecke des Diagramms häuft, wie es in dem hypothetischen Diagramm in Abbildung 1 verdeutlicht ist. Ein wichtiger Aspekt des Sicherheitsdiagramms ist, statt vorherzusagen, dass klimabedingte Folgen auftreten werden, verweist ein Sicherheitsdiagramm auf die Eintretenswahrscheinlichkeit einer solchen Folge.
Um ein Sicherheitsdiagramm erstellen zu können, müssen drei wesentliche Eingangsgrößen vorhanden sein:
Eine wichtige Frage ist, wie diese Konzepte definiert werden können. Bedauerlicherweise gibt es keine objektive Methode für ihre Definition und zudem werden alle drei Konzepte sehr unterschiedlich von verschiedenen Disziplinen interpretiert. Um jedoch die Idee zu verdeutlichen, die hinter den Sicherheitsdiagrammen steht, wählten Alcamo (2000) und Alcamo und Endejan (1999) einen pragmatischen Weg und schrieben diesen drei Konzepten zunächst vorläufige Werte zu:
Welche Bedeutung und welche Grenzen haben Sicherheitsdiagramme? |
Die Sicherheitsdiagramme haben folgende Stärken:
Sicherheitsdiagramme zeichnen sich jedoch auch durch viele Beschränkungen aus - Zuallererst kann ein Ansatz dieser Art weder Fall detaillierte Risiko- und Adaptations-Studien in verschiedenen Ländern oder Regionen ersetzen, noch kann er genügend Informationen zur Verfügung stellen, um passende Adaptationsstrategien zu entwickeln. Ein anderes gravierendes Defizit, und das ist vielleicht das aller wichtigste, ist, dass die drei Konzepte auf denen die Sicherheitsdiagramme basieren (Stress, Anfälligkeit und Krisen), nicht ausreichend definiert sind und sich nicht genügend auf die relevante sozialwissenschaftliche Forschung beziehen. In diesem Projekt schlagen wir vor, sich auf dieses letztgenannte Defizit zu konzentrieren. Es ist unser Ziel diese Definitionen zu verbessern, indem wir Daten im Rahmen von Fallstudien in bestimmten Regionen erheben und dabei auf den Kenntnisstand der Sozialwissenschaften zurückgreifen. Auf diesem Wege kann das Sicherheitsdiagramm ein nützlicheres Werkzeug zur Bewertung von Risiken durch extreme klimatische Ereignisse werden.
Das Gesamtziel des Vorhabens besteht darin, die Berechnung von Sicherheitsdiagrammen zu verbessern, indem die Definitionen der drei Eingangsgrößen für diese Diagramme - Umweltstress, Anfälligkeit und Umweltkrisen, verfeinert werden.
Diese Verbesserung wird durch die Analyse der Daten aus drei Fallstudien-Gebieten (Wolga-Becken in Russland, Nordwestindien und Südportugal) geleistet, welche im Lichte von sozial- und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen durchgeführt werden sollen. Der Schwerpunkt wird auf klimabezogene Wasserknappheiten gelegt, dabei kann allerdings erwartet werden, dass Ergebnisse dieses Projektes auch auf andere Problemlagen, wie z.B. Überschwemmungen und Nahrungsmittelknappheit, angewandt werden können. Wir fokussieren mit der Absicht auf die Fallstudien-Gebiete, die dabei erhaltenen Erkenntnisse auf andere Gebiete der Welt zu übertragen. Ein weiteres Ziel dieses Vorhabens ist es, die Kluft zwischen der wissenschaftsorientierten Klimagemeinde und der politikorientierten Gemeinde, die mit dem Thema "Umwelt und Sicherheit" befasst ist, zu überbrücken.
Eine wichtige Herausforderung bei einer besseren Konzeption von Umweltstress, Anfälligkeit und Krise ist, dass verschiedene Disziplinen verschiedene Definitionen und Herangehensweisen zu den Konzepten haben. In diesem Projekt werden wir die Konzepte jeweils aus verschiedenen Perspektiven untersuchen. Hierzu fassen wir die Vielfalt disziplinärer Perspektiven in zwei Typen zusammen - die Top-Down und die Bottom-Up Perspektive:
Ein Beispiel für die Anwendung der Sicherheitsdiagramme: Da Sicherheitsdiagramme die Konzepte von Umweltstress, Anfälligkeit und Krise verknüpfen, können sie ein politikrelevantes Hilfsmittel zur weltweiten Sicherheits- und Risikobewertung bereitstellen. Zur Veranschaulichung ihrer Anwendungsmöglichkeiten beziehen wir uns im Folgenden auf ein Beispiel von Alcamo et al. (2000a). Zunächst werden Umweltstress und Anfälligkeit für jedes Land und Jahr berechnet. Diese Daten werden in ein Sicherheitsdiagramm eingebunden, um so die Anzahl der Jahre zwischen 1901 und 1995 zu berechnen, in denen ein Land ein erhöhtes Potenzial einer Wasserkrise aufwies. Das Ergebnis ist eine Karte (Abb. 2), die darlegt, dass 23 Länder in mehr als der Hälfte aller Jahre in diesem Zeitraum ein erhöhtes Potenzial für Wasserkrisen aufweisen. Die zweit-höchste Anfälligkeitskategorie umfasst dann des weiteren die Länder China, Indien und Mexiko. Insgesamt decken sich die Länder, für die ein hohes Potenzial für Wasserkrisen berechnet wird, weitestgehend mit den Ländern, in denen im 20. Jahrhundert tatsächlich regelmäßige Wasserknappheiten auftraten.
Abb. 2: Anwendung des Sicherheitsdiagramms auf eine historische Zeitperiode.
Quelle: Alcamo et. al., 2000a.
Darauf aufbauend schätzen Alcamo et al. (2000a) die zukünftigen Änderungen des Risikos durch ein zunehmendes Bruttosozialprodukt oder durch einen Klimawandel ab (Abb. 3). Es fällt auf, dass die Anzahl der Länder in der höchsten Risikokategorie auf 19 fällt, dass sich nun aber auch einige Länder in dieser Kategorie befinden, die dieser Gruppe bislang nicht angehörten (z. B. Südafrika und Australien). Dies liegt darin begründet, dass das verwendete Klimawandelszenario für diese Länder trockenere Klimaverhältnisse annimmt. Andererseits wird für einige andere Länder ein verringertes Potenzial für Wasserkrisen berechnet (z.B. China und Indien). Auch dies liegt primär im verwendeten Klimawandelszenario begründet, welches für große Teile dieser Länder von einer Zunahme im Niederschlag ausgeht. Zudem wird in dem Szenario von einem weiteren Wirtschaftswachstum ausgegangen, welches in diesem bisherigen (und vorläufigen) Sicherheitsdiagramm als eine Verringerung der Krisenanfälligkeit interpretiert wird.
Abb. 3: Anwendung des Sicherheitsdiagrammes zur Darstellung möglicher zukünftiger Krisenpotentiale.
Quelle: Alcamo et. al., 2000a.
Mögliche Anwendungsbereiche: Obwohl das obige Beispiel nur der Illustration dienen soll, zeigt es eine Vielzahl von Beispielen für Anwendungsbereiche von Sicherheitsdiagrammen auf:
Die Bereitstellung von Beiträgen zu internationalen Klimafolgen-Studien.
Die längerfristige Abschätzung, in welchen Regionen die Wasserressourcen besonders sensitiv auf verschiedene Klimawandelszenarien ansprechen.
Als Hilfsmittel zur Planung von Entwicklungshilfe, indem die Gebiete ermittelt werden, in denen Wasserknappheiten Entwicklungsprozesse in Entwicklungsländern beeinträchtigen können.
Das Bereitstellen von Informationen für internationale Hilfsorganisationen über mögliche zukünftige Brennpunkte der Wasserknappheiten.
Das geplante Projekt ist eines von wenigen Forschungsprojekten, das eine explizite quantitative Verbindung zwischen Klimaereignissen, Anfälligkeit von Gesellschaften und Krisen in unterschiedlichen Regionen herstellt.
Das Projekt untersucht auf einzigartige Weise mit zwei unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Ansätzen Umweltstress, Anfälligkeit und Krise.
Das Projekt verbindet auf einmalige Art und Weise Ökologie mit Politikwissenschaft, Psychologie und weiteren Disziplinen.
Das Projekt bildet eine neuartige Verbindung zwischen der Klimafolgenforschung und dem Forschungsansatz zum Verhältnis von Umwelt und Sicherheit.
Alcamo, J. and Endejan, M., Kaspar, F., Rösch, T. 2000a. The GLASS model: a concept for global modeling of environmental security. Environmental Science and Policy.
Alcamo, J. Döll, P., Henrichs, T., Kaspar, F., Lehner, B., Siebert S. 2000b. WaterGAP 2: A model for global assessment of water resources. Water Resources Research.
Alcamo, J. 2000c. Environment, security, and the question of quantification, Accepted for publication in International Journal of Sustainability, and previously published in Dutch in: Kok, M., de Groot, W. (eds.). 1999. A climate for change. Jan van Arkal Publishing: Utrecht, NL. pp. 147-170.
Alcamo, J. and Endejan, M. 1999. The security diagram: An approach to quantifying global environmental security. Proceedings of NATO Advance Research Workshop on "Responding to environmental conflicts: implications for theory and practice." Budapest, Hungary. 21-23 January, 1999
Döll, P., Kaspar, F. Alcamo, J. 1999. Computation of global water availability and water use at the scale of large drainage basins. Mathematische Geologie, 4: 115-122.
CRED (Center for research on the epidemiology of disasters), Universite Catholique de Louvain, Belgium. 1998. http://www.md.ucl.ac.be/entites/esp/epid/misson/projet_uk.htm
Zurück